Das Wort Brenner stand einst für Kontrollen und Kälte. Mittlerweile fröstelt bereits das bauliche Ensemble mit trostloser Kaufhaus-Architektur und unnötigem Raststätten-Museum. Und nun das: Ein Grenzzaun als Ausdruck für ein noch raueres Klima, ein „Hotspot“ als Zeichen einer neuen sozialen Kälte. Wie kalt kann es am Brenner noch werden? Muss man sich bald sehr dick anziehen? Friedliche und weltoffene Europäer befürchten sogar eine längere Eiszeit.
Im Grunde ist es die Machtdemonstration einer kleinen europäischen Nation, die im ersten Weltkrieg auf die Form eines Wiener Schnitzels geschrumpft ist. Damit in Zukunft nur Auserwählte einen Bissen davon nehmen, werden alte Grenzen aktiviert, die versinnbildlichen sollen, dass man es nicht mit einem Stiefel, sondern mit einem Wiener Schnitzel zu tun hat. Was aber tun gegen dieses eiskalte Säbelrasseln? Was kann helfen, das Leid vieler Flüchtlinge vor der sozialen Kälte einiger Staatsmänner und Staatsfrauen einigermaßen in Grenzen zu halten? Vielleicht etwas Wärme?
Der historische Grenzort verkommt momentan zum Spielfeld einer Politik, die nationalistische Sprüche und Grenzsteine klopft und gleichzeitig einen unzeitgemäßen Tirol-Patriotismus mobilisiert. Ängstliche Grenzzaunbefürworter wie aufrechte Verfechter der Tiroler Wiedervereinigung sind es, die erneut mit abgedroschenen Phrasen am und zum Brenner ihre Finger verbrennen. Gegen sie ist anscheinend kein Kraut gewachsen. Oder doch? Laut meiner Großmutter, gibt es tatsächlich ein leicht brennendes Brenner-Kraut für allzu kalte Zeitgenossen. So sagte sie einst einem österreichischen Grenzpolizisten am Brenner: „Wer fünf Brennnesselblätter in die Hand nimmt, bleibt frei von Furcht und bei kühlem Verstand.“ „Bitte fahren sie rechts ran“ entgegnete er. „Rechts, ja rechts…“ seufzte meine Großmutter.
(26. Februar 2016)
Martin Hanni